Geh mit Gottes Segen

Gefeiert wird der 18. Geburtstag auf jeden Fall, weil es schon ein besonderer ist. Für die Jubilare selbst, aber auch für ihre Eltern, findet Mechthild Alber. Einerseits. Andererseits: Steht die Volljährigkeit für die meisten nicht nur im Gesetzbuch?

Der 18. Geburtstag hat für Jugendliche eine besondere Bedeutung: endlich volljährig! Endlich dürfen sie vieles eigenständig entscheiden, endlich sind sie erwachsen.

Auch für uns Eltern ist der 18. Geburtstag unserer Kinder ein wichtiger Tag. Für sie zu sorgen und die Verantwortung für ihr Wohlergehen zu übernehmen ist schön, aber auch anstrengend – manchmal nachts vor Sorgen wach zu liegen und dann wieder zuversichtlich zu sein, dass doch alles seinen guten Weg nehmen wird.

So habe ich mich mit meiner Tochter gefreut an ihrem 18. Geburtstag, habe ihr gratuliert, war stolz, dass aus „meinem kleinen Mädchen“ eine junge Frau geworden ist, die nun hinaus in die Welt ziehen wird. Denn das war doch all die Jahre mein Ziel: dass aus meinen Kindern selbstständige Erwachsene werden, die ihr Leben in die eigenen Hände nehmen können! Als wir dann gemeinsame alte Bilder angeschaut haben, zogen die letzten 18 Jahre wie im Zeitraffer vorbei: das Baby in meinem Armen, das Kindergartenkind beim Schaukeln, die obligatorischen Fotos mit der Schultüte und der Kommunionkerze … Zugegeben: Da kamen mir auch ein paar wehmütige Gedanken: Das alles soll so schnell vorbeigegangen sein?

Und nun soll unsere Tochter das alles selbst übernehmen – die Entscheidung über Ausbildung und Beruf, darüber wie und wo sie zukünftig leben möchte und mit wem. Ist sie dafür nicht doch zu jung und unerfahren? Aber ehrlich gefragt: Wüsste ich es besser? Natürlich habe ich mehr Lebenserfahrung und kann manches vielleicht realistischer einschätzen. Aber die Offenheit, mit der viele junge Menschen ins Leben gehen, die tut auch gut. Ich merke, wie festgefahren ich in manchem bin. Was schon immer so war, muss deswegen nicht unbedingt richtig sein. Der jugendliche Schwung kann auch anstecken.

Wenn Kinder erwachsen werden, tun sich auch für uns Eltern wieder neue Freiräume auf. Meine Aufgabe als Mutter hat viele Jahre mein Leben bestimmt. Für meine Kinder zu sorgen und da zu sein, hat meinem Leben Sinn und Struktur gegeben. Und dann heißt es immer öfter: „Ich will das jetzt selbst entscheiden, du musst dich nicht in alles einmischen, ich komm’ schon selber klar.“ Eine Botschaft, die ich vom Kopf her verstehe. Aber sie anzunehmen, fällt doch nicht so leicht. Was bleibt von der Beziehung zu den Kindern übrig, wenn man nicht mehr „gebraucht“ wird? Die Versuchung liegt da nahe, es den Kindern „gemütlich“ zu machen in der Hoffnung, dass dann alles so bleibt wie früher … Andererseits: Ich werde auch ärgerlich, wenn ich spüre, dass meine Kinder es nur praktisch finden, wenn sie sich um vieles nicht selbst kümmern müssen. Hotel Mama ist auf Dauer für niemand eine gute Idee. Denn Kinder müssen ja lernen, auf eigenen Füßen zu stehen. Und fliegen lernt man nicht in der Theorie, sondern indem man es tut. Zum Muttersein gehört eben nicht nur, meine Kinder zu umsorgen, sondern auch sie „zur Welt“ zu bringen. Das ist ein dramatischer und auch schmerzlicher Prozess, der die Beziehung zum Kind tiefgreifend verwandelt, auch wenn ich natürlich ein Leben lang Mutter bleibe. Wenn das gelingt, können die erwachsenen Kinder von sich aus wieder auf ihre Eltern zugehen: nicht mehr abhängig, sondern eher von gleich zu gleich.

Diese Ablösung gibt mir als Mutter die Chance, mein Leben noch einmal neu zu gestalten und neue Schwerpunkte zu setzen. Kann ich mich beruflich weiter entfalten oder mir Zeit für ein (neues) Hobby nehmen? Ich habe endlich wieder Zeit, meine Freundschaften zu pflegen, und muss nicht immer nur das „Pflichtprogramm“ abarbeiten – vorausgesetzt, die Sorge für die Kinder geht nicht nahtlos in die Sorge für die alten Eltern über.

Und dann ist da auch noch mein Mann. Auch das „Wir“ will neu gefunden werden – manche Paare haben zwar gut „funktioniert“, sich dabei aber ein Stück auseinandergelebt. Dabei dauert die nachfamiliale Phase in der Regel 20 bis 30 Jahre; es lohnt sich also, etwas zu investieren, damit es eine gute und erfüllte Zeit wird. Wieder Urlaub als Paar zu machen, kann ein guter Anfang sein. Vielleicht entdecken wir dabei ja alte oder auch neue Träume, die wir wegen der Kinder bisher immer zurückgestellt haben?

Manches müssen wir auch verabschieden, das gilt im Blick auf die Kinder wie auf das eigene Leben. Schließlich werden wir älter, ermüden schneller, die Kräfte und die Gesundheit machen nicht mehr „selbstverständlich“ mit. Vielleicht entscheidet sich unsere Tochter für ein ganz anderes Leben, als wir das erwartet hatten – dann müssen wir sie ziehen lassen. Dann können wir sie „nur“ segnen – und darin unsere Hoffnung ausdrücken, dass unsere elterliche Sorge umfangen ist von einer größeren Kraft. Der Segen weitet unsere Fürsorge in Vertrauen – Vertrauen in die Lebenskräfte, die in unserem Kind lebendig sind.

Als du klein warst,

hielt ich oft deine Hand,

und wenn du müde warst,

hab ich dich getragen.

Jetzt hast du die Kraft,

selbst zu gehen.

Geh deinen Weg,

ich traue ihn dir zu.

Geh ihn mit Gottes Segen.